Zur Kunstauffassung in der Wiener Schule für Kunsttherapie
Die Suche nach dem ureigenen Ausdruck in dieser Welt in Bezug auf die Welt selber, ihre Gesetzte, ihre Vielfältigkeit und ihre Grenzen ist Thema der Kunst. Sich dabei nicht von den vorherrschenden Normen leiten zu lassen, die vom Markt und von der Gesellschaft aufgestellt werden, sondern auf die Suche gehen nach dem Wesen der Dinge und dem, was ihnen zugrunde liegt.
Der Mensch ist seinem Wesen nach zur Freiheit veranlagt. In der Freiheit liegt seine Kreativität begründet, seine Fähigkeit, Schöpfer zu sein. Es gilt, diese Freiheit zu wecken und die Kreativität auszubauen und zu einer Fähigkeit, einer gestaltenden Kraft zu machen.
Diese gestalterische Kraft ( hierin folgen wir z.B. Beuys ) ist nicht auf den Bereich der bildenden Kunst beschränkt und eingeschränkt. Sie ist ein Lebensprinzip. Jedoch ein Prinzip, das verlangt, daß es in einem bestimmten Augenblick in eine bestimmte konkrete Form gebracht wird. Eine Form, die der ureigenen Wahrheit Wahrheitssuche entspricht. Eine Form, die den individuellen Ausdruck nicht einem fiktiven allgemeinen Zusammenhang unterordnet, sondern einen allgemeingültigen Zusammenhang durchscheinen läßt.
Künstlerisches Schaffen wie auch Kunsttherapie haben etwas mit Wahrnehmung zu tun:
In der künstlerischen Arbeit wird versucht das, was der Künstler/die Künstlerin aufnimmt und erfährt, möglichst genau wahrzunehmen und zu gestalten.
In der therapeutischen Arbeit wird versucht das, was durch den anderen hindurchgeht möglichst genau wahrzunehmen und Gestaltung werden zu lassen.
Beides ist derselbe Prozess.
Im künstlerischen Prozess stehe ich im Dienste meiner eigenen Bilder, im kunsttherapeutischen Prozess stehe ich im Dienste der Bilder der/des Anderen.
Hier liegen die Bedeutung der Kunst und der Sinn der künstlerischen Übung in der Ausbildung zum Kunsttherapeuten/zur Kunsttherapeutin:
- die Wahrnehmung zu intensivieren
- die eigenen Grenzen auszuloten und zu überschreiten (und/oder wahrzunehmen).
- Kunst nicht als Instrument kennenzulernen, sondern in ihrer Eigengesetzlichkeit
die eigene Freiheit zu bilden und ihre Form zu finden, die innerlichen Klänge und die Sammlung der Kraft. Alles andere ist, wie Kandinsky es sagt: „ Kunst für die Kunst „ (über das Geistige in der
Kunst ab Seite 25). Und wie Beuys sagt : „ Man muß trainieren, um in hohe Schichten des Denkens zu kommen, zu Inspiration und Intuition“
So versteht sich die Wiener Schule als Ausbildungseinrichtung, die dieses Training ermöglicht und strukturiert anbietet.
Die Abschlußprüfung zeigt , welche Sprache jede/r für sich gefunden hat:
wie formt jede/r das Grundprinzip für sich aus?
Wie begründet er/sie die Form, die er/sie wählt?
Wie bewußt ist ihm seine Wahl?
copyright Irmgard Maria Starke , Wien 2009
© Irmgard Maria Starke, Wien Juni 2015
Kunst und Therapie – ein ungleiches Paar[...]
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